Brauchtum

Veröffentlicht am Freitag, 27. August 2010 06:54 Uhr
Geschrieben von : Paddy

Brauchtum und Sitte

 

 

 

Sitten und Bräuche im Jahreslauf

 

Sitten und Bräuche bilden in Halvelagen wie in allen sächsischen Dörfern Siebenbürgens das ungeschriebene Gesetz der Familie, der Sippe, der Gemeinschaft, des ganzen Dorfes. Das ganze Gemeinschaftsleben der Sächsischen Bauern stand im Zeichen der Religiosität. Die Kirche wirkte sich bestimmend und führen auf das ganze Tun und Lassen der Dorfbewohner aus. So finden wir im Laufe eines Jahres kirchliches und weltliches Brauchtum eng miteinander verbunden, und wir wollen es deshalb in chronologischer Reihenfolge betrachten. Unsere Betrachtung bezieht sich hauptsächlich auf die Zeit nach dem 1. Weltkrieg.

Adventszeit

 

Mit der Adventszeit begann das neue Kirchenjahr. Es war die Zeit in dr man sich auf Weihnachten vorbereitet und in der die Erwachsenen eifrig Bibel und Lesestunden besuchten, Tanzunterhaltung und laute Arbeiten unterließ man.
Am 21. Dezember, in der Thomasnacht (die längste Nacht des Jahres) war es Sitte, daß besonders die Burschen des Dorfes ihren Unfug trieben. Mancher Wagen wurde in seine Bestandteile zerlegt und im Hof verstreut. Die Phantasie der übermütigen Burschen fand in dieser Nacht keine Grenzen, und dies hauptsächlich zum Verdruss der Eltern der Maiden.
Am letzten Sonntagsnachmittag vor Weihnachten fanden sich die größeren Schulkinder mit ihren Müttern in verschiedenen Häusern zum Binden der „Leuchter“- ein Kerzenleuchter als weihnachtliches Symbol –ein.

Weihnachten

 

Die Weihnachtsfeierlichkeiten begannen mit dem Gottesdienst am Heiligen Abend. Die Kirche war meist überfüllt, denn jeder wollte bei diesem Festgottesdienst dabei sein; auch Kleinkinder wurden warm angezogen und mitgenommen. Wie schön erklangen die Weihnachtslieder, welche die Schulkinder vor dem erleuchteten Weihnachtsbaum im Chor der Kirche sangen. Gedichte wurden vorgetragen oder ein Krippenspiel aufgeführt. Nach dem Gottesdienst, erhielt jedes Kind eine Tüte mit Weihnachtsplätzchen, Nüsse und einer Orange.
Zu Hause wurde an diesem Abend im Kreise der Familie gefeiert. 24 Uhr läuteten die Glocken und die Adjuvanten (Dorfkapelle) bliesen das Weihnachtslied „Puer natus“ .
Die Jugend vor allem die Burschen , feierte im Haus eines Freundes Christnacht.

Neujahr

 

In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr wurden ebenfalls keine lärmverursachenden Arbeiten verrichtet.
Der 31. Dezember des letzte Tag im Kalenderjahr, hatte eine ganz besonders große Bedeutung. Die Frauen waren damit beschäftigt, sogenannte „Giorchen“, zu backen – eine Art von Baumstritzel, den die Kinder bei ihrem Patenbittgang am darauffolgenden Tag geschenkt bekamen.
Am letzten Tag im Jahr läuteten die Glocken zu Mittag eine ganze Stunde lang. In den letzten Jahrzehnten war es auch in Halvelagen üblich, Sylvester zu feiern. Um Mitternacht erklangen die Glocken vom Kirchturm und kündeten das neue Jahr an. Dann trat man in Freie und stieß mit einem Glas Wein auf ein glückliches neues Jahr an.
Der Neujahrestag begann mit dem Frühgottesdienst um 6 Uhr. Bis zum Hauptgottesdienst bemühten sich die größeren Kinder, ihren Patenbittgang zu erledigen. Sie gingen zu ihren Taufpaten und Großeltern, wünschten ein gutes Neujahr und sagten ihren Neujahreswunsch auf.

Auszug aus dem Heimatbuch

 

An dieses Jahres ersten Morgen
begrüß‘ ich Euch mit froher Lust
zwar wechseln Hoffnungen und Sorgen 
an diesem Tag in mancher Brust.

Dem lieben Gott lasst uns vertrauen,
der unser Schicksal weislich lenkt,
auf dessen Treue lasst uns bauen,
der uns gerne Gutes schenkt.

 

Wir fragen uns: Was wird es bringen
das Jahr in seinem dunklen Schoß?
Was trägt die Zeit auf ihren Schwingen?
Wie fällt in Zukunft unser Los?

 

Er wird uns väterlich bewahren
Vor Unglück, jammer, Not und Pein
Und auch in Leiden und Gefahren
Ein Helfer und ein Retter sein.

 

Wird Unglück, Krankheit uns verschonen?  
Erreicht uns etwa gar der Tod?
Wird Friede in dem Lande wohnen?
Kommt Krieg mit aller seiner Not?

 

So mög‘ denn Euch, ihr meine Lieben
Dies Jahr der Himmel gnädig sein,
nichts Eurem stillen Frieden trüben,
Gott segne Euch tagaus, tagein.

 

So kreuzen heute sich die Fragen,
so treten wir ins Neue Jahr.
Was kommen wird in seinen Tagen,
ist keinem Menschen offenbar.

 

Dies ist mein Wunsch in dieser Stunde,
ein Zeichen meiner Dankbarkeit.
Er sei aus reinem Herzensgrunde
Von mir zum Neuen Jahr geweiht.

 


 

Faschingszeit

 

Diese Zeit begann am Geschworenen Montag (Montag nach dem Tag der Heiligen Drei Könige) und dauerte bis zum Aschermittwoch.
In dieser Zeit fiel auch das Blasiusfest, kurz „Blasi“, das normalerweise um den 2. Februar abgehalten wurde. Es war eine Tanzunterhaltung für Kinder, welche die Lehrerschaft vorbereitete und wo meist die Adjuvanten zum Tanz aufspielten.
In der Faschingszeit wurden alljährlich die Richttage der Nachbarschaften und Tanzunterhaltungen der Verheirateten und der Jugend abgehalten.Der „Sitt – und Richttag“ der Männer begann um 10 Uhr im Hause des „alten Nachbarvaters“. Anfangs wurden die anschließenden Unterhaltungen, an denen auch die Frauen teilnahmen, ebenfalls nachbarschaftsweise abgehalten, doch später feierten die vier Nachbarschaften gemeinsam im Gemeindesaal. Oft besuchten verkleidete Jugendliche diese Unterhaltung, boten ein lustiges Programm, tanzten und verließen dann die Gesellschaft wieder. Am Sonntagnachmittag folgte oft eine Fortsetzung der Tanzunterhaltung sowie Faschingsumzüge durchs Dorf.

 

Osterzeit

 

Ostersamstag erreichten die Vorbereitungen vor Ostern ihren Höhepunkt. Das Osterlamm wurde geschlachtet, Brot , Hanklich und Striezel gebacken und Ostereier gefärbt. Am 1. und 2. Ostertag wurden jeweils drei Gottesdienste abgehalten. Am 2. Feiertag erfolgte bis zum Hauptgottesdienst der Patenbittgang der Kinder. Während die Burschen mit „Rosenwasser“ zu den konfirmierten Mädchen „bespritzen“ gingen und dafür mit Wein, Likör und Gebäck bedient und mit Blumen geziert wurden, gingen die Schuljungs zu den Schulmädchen und erhielten bunte Eier und Geld als Gegengabe.
Am Nachmittag des 3. Ostertages fand gewöhnlich das „Eierwerfen“ statt. Am frühen Nachmittag begab man sich mit Musikbegleitung auf die Wiese, wo sich alle Schaulustigen versammelten. Zuerst wurden 100-150 rohe Eier auf die Wiese ausgelegt, wobei jedes zehnte Ei ein gefärbtes war. Indessen erschienen die beiden Läufer in leichter Kleidung. Die Aufgabe des einen bestand darin, alle Eier einzeln aufzuheben und aus einer gewissen Entfernung bis ans andere Ende der Reihe zu werfen, wo vier Burschen mit einem großen Leintuch versuchen mussten, die Eier aufzufangen. In der gleichen Zeit hatte der zweite Läufer aus den etwa eine Stunde entfernten Weinbergen einen mit rotem Tuch markierten Rebpfahl zu holen. Kam der Läufer mit dem Rebpfahl zurück war, wurde er als Sieger gefeiert, und alle Eier, die noch im Gras lagen, gehörten ihm. War jedoch der Werfer mit seiner Arbeit fertig, bevor der Läufer mit dem Rebpfahl zurück war, so hatte er gesiegt. Das Fest und die Wette wurden von der Bruderschaft mit einem großartigen Eierschmaus und reichlich Wein beschlossen. In den letzten Jahren beteiligte sich die ganze Jugend am Festschmaus.

Auszug aus dem Heimatbuch

 


 

Das Kronenfest

 

Das wohl schönste Volksfest des Jahres war schon in alten Zeiten der „Tanz unter der Krone“. Sein Ursprung ist sicher in heidnischer Vorzeit zu suchen. Jahreszeit und Sitten ließen es in engem Zusammenhang mit der Sommersonnenwende erscheinen, da es früher am Johannistag (24. Juni) gefeiert wurde. Im letzten Jahrhundert jedoch war es der Peter- und Paultag (29. Juni) an dem man in Halvelagen unter der Krone tanzte.

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Die Bruderschaft erstellte den Stamm – eine ungefähr 10-12 Meter hohe Tanne – für den Kronenmast. Vor dem Fest holten die Burschen Eichenlaub und Wintergrün für Girlanden aus dem Wald. Auch junge Laubbäume wurden gebracht und rings um den Tanzplatz vor dem Turm aufgestellt. Neben dem Glockenturm errichteten die Burschen in einer schattigen Ecke eine Laube, „Litsch“, in der sie ihre Getränke aufbewahrten. Die Mädchen sorgten für Feld und Gartenblumen. Am Samstag vor dem Fest traf sich die Jugend, um die Krone zu binden. An der Spitze des liegenden Stammes befestigten die Burschen ein kleines Wagenrad und etwa einen Meter weiter unten ein großes Rad als Sinnbild des Sonnenrades. Von einem Rad zum anderen wurden Bögen mit grünen Girlanden gespannt und obenauf ein großer Blumenstrauß festgebunden. An den beiden Rädern befestigte man je acht Kränzchen. Rundherum wurden noch zwei Reihen Ketten aus Popcorn gehängt, die wie Perlenketten aussahen. In den Hohlraum der Krone verbargen die Maiden zwei Flaschen, eine mit Wasser und eine mit Wein, um ein Geschenk für den Erkletterer der Krone sowie Süßigkeiten für die Kinder. Am Morgen des Festtages wurde dann der Kronenmast mit der Blumenkrone auf einem Wagengestell zum Tanzplatz gebracht und dort mit Hilfe von Leitern, Seilen und Hebelbäumchen aufgestellt. Die Maiden erschienen alle in weißer Tracht mit dem Spangengürtel und die Burschen mit weißem gesticktem sächsischen Hemd, Stiefelhosen und Stiefeln.

 

 

Die älteren Burschen tanzten den ersten Tanz mit ihrer zukünftigen Braut, danach wurden Volkstänze, Kreissingspiele und Volkslieder dargeboten. Den Höhepunkt des Festes stellte das Erklimmen der Krone dar. Dem alter nach versuchten dann die Burschen das empor klettern zur Krone, bis es einem gelang in der Krone zu verschwinden.

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Nach dem Gelingen wurde ein Ansprache in sächsische Mundart gehallten, danach wurden die Süßigkeiten den wartenden Kindern zugeworfen. Der Sieger erhielt einen Kranz aus Eichenlaub umgehängt und tanzte anschließend mit seinem Mädchen den Ehrentanz.

 

Die Unterhaltung ging mit Tanz und genießen der Erdbeerbowle bis zum Abend weiter. Anschließend setzte man das Feiern im Gemeindesaal fort.

Konfirmation

 

Der Konfirmation ging der Konfirmandenunterricht voraus. Er wurde vom Ortspfarrer in einem Klassenzimmer des Pfarrhauses erteilt. Der Unterricht begann nach Abschluss der VII. Klasse und dauerte ein Jahr. Zur Konfirmation wurden nur die Jungen und Mädchen zugelassen, die das 14.Lebensjahr erfüllt und regelmäßig am Konfirmandenunterricht teilgenommen hatten.   
Die Konfirmation fand am Palmsonntag statt. Innerlich vorbereitet und mit der Festtracht schön gekleidet, ging man dann am Palmsonntag gemeinsam in die Kirche.

 

 

Die Prüfung erfolgte schon am Samstagnachmittag während eines Gottesdienstes. Nachdem die Konfirmanden gelobt hatten , als rechte Christen nach Lehre Jesu Christi zu leben und zu sterben, segnete der Pfarrer jeden Konfirmanden einzeln ein, gab ihm einen Bibelspruch auf dem Weg und überreichte die Konfirmationsurkunde. Anschließend folgte das heilige Abendmahl nach vorheriger Beichte mit den Eltern und Paten. Nach der Konfirmation wurden die Jungen als „Knechte in die Bruderschaft und die Mädchen als „Mägde“ in die Schwesterschaft aufgenommen. Damit hatten sie für immer die Kinderzeit verlassen und die ersten Schritte in die Jugendzeit getan.

Auszug aus dem Heimatbuch

 


 

Hochzeit

 

Die Wochen bis zur Trauung galten der Vorbereitung zu Hochzeit. Bei den Vorbereitungen für die eigentliche Hochzeit, die einige Tage vorher begann und zu denen die Hochzeitsmütter viele Helferinnen einluden, gab es eine feste Arbeitseinteilung: Die Frauen waren mit dem Backen der Brote, Hanklich und anderen Gebäcks sowie mit dem Hühnerschlachten und sonstigen Küchenarbeiten beschäftigt, während die Männer zwei Schweine und eine Kuh schlachteten, den Hof reinigten und das Hochzeitshaus für 100 bis 200 Gäste herrichteten.

Jugendliche schmückten die Tore. In Halvelagen war es Brauch, daß die geladene Gäste und auch nichtgeladene Gemeindemitglieder Lebensmittel beisteuerten. Am Vorabend der Hochzeit ging das Brautpaar nochmals in die Betstunde. Danach „grüßten“ sie sich aus der Bruder- und Schwesterschaft „aus“.
Am Hochzeitstage war man sehr früh auf de Beinen, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Brautknechte gingen von Haus zu Haus und luden die Hochzeitsgäste nochmals ein.Die kirchliche Trauung erfolgte nach dem Hauptgottesdienst und wurde nach einer festgelegten Ordnung vollzogen, mit Orgelmusik und Gesang des Kirchenchors festlich umrahmt. Nach der Ansprache des Pfarrers erfolgte die Trauungszeremonie mit der Einsegnung der Neuvermählten. Nach der Trauung trug der Pfarrer pflichtgemäß das junge Ehepaar in die Matrikel der Kirchengemeinde ein. Heimwärts ging man in fröhlicher Stimmung und mit musikalischer Begleitung.

Die Tische im Hochzeitshaus waren bereits gedeckt, und die Gäste verteilten sich nach einer vorgegebenen Tischordnung in den zwei bis drei Räumen. Den Anfang des fröhlichen Teils des Festes machte ein reichliches Hochzeitsmahl.

 

Nach dem Essen folgte die Tanzunterhaltung, im Laufe derer die Braut von den Burschen „gestohlen“ (entführt) und versteckt wurde. Der Bräutigam musste sie nun „zurückkaufen“, meist mit einem Eimer Wein. Mit Musikbegleitung und einem Teil der Gäste holte er sie zurück. Nach dem Abendessen folgte nochmals eine ernste Handlung, nämlich das Schenken („dә Giof“). Der Wortmann hielt eine Rede über Sinn und Zweck dieser Gabe an das junge Paar und forderte alle Hochzeitsgäste einschließlich der Kinder zu einem fröhlichen Geben auf. Gegen Mitternacht nahm man dem Brautpaar den Schmuck des Brautstandes ab, das Myrtenkränzchen vom Borten und das Sträußchen von der Mütze. Damit war auch das Ende der Jugend sinnbildlich verknüpft, denn ab dieser Stunde waren sie eine „junge Frau“ bzw. ein „junger Mann“.
Der 2. Hochzeitstag war der „Jungfrauentag“. Alle Gäste versammeln sich Im Hochzeitslokal. Die „junge Frau“ und die beiden Brautfrauen waren „gebockelt“ und saßen mit einem Leintuch bedeckt in der Mitte des Lokals. Der Junge Ehemann musste nun seine Frau erkennen. Nach dem Gottesdienst wurde vor dem Turm getanzt, dann ging es mit viel Jubel zum Hochzeitshaus, wobei das junge Paar von kräftigen Burschen auf die Schulter gehoben und getragen wurde, während die Jugend im Kreis um sie hüpfte.

Der 3. Hochzeitstag war für die das Spazierenfahren bestimmt. Auf mehreren mit stattlichen Pferden bespannten Schlitten fuhren die jüngeren Hochzeitsgäste , voraus das junge Paar, in Nachbargemeinden. Sie nahmen Hanklich und Wein mit, kehrten kurze Zeit bei Bekannten ein und kamen dann ins Hochzeitshaus zurück, wo weitergefeiert wurde.
Ab 1938 wurden große Hochzeiten im neuen Gemeindesaal gefeiert.

Auszug aus dem Heimatbuch